Sepp Forcher im Interview
Wie sah ihre erste Begegnung mit Leogang aus?
Forcher: Ich kam in den 1950ern nach Leogang, weil ich mich damals schon für Mineralien interessiert habe. Darum bin ich in den Danielstollen gestiegen, um dort einige Stücke zu sammeln. Das war zu der Zeit nicht ausdrücklich verboten. Aber auch wenn es nicht unbedingt illegal war, so war es doch auch nicht gerne gesehen. Mineraliensammler ließen sich allerdings davon nicht abhalten. Es waren andere Zeiten.
Lernten Sie da auch schon Hermann Mayrhofer vom Bergbau- und Gotikmuseum kennen?
Forcher: Hermann lernte ich erst später kennen, als aus den Stollen in Leogang ein Schaubergwerk wurde. Von Anfang an ist mir seine nicht großartig zur Schau getragene, aber fühlbare Begeisterung für den Bergbau und die Gotik aufgefallen. Und diese wirkt auf viele Menschen ansteckend und begeisternd.
Waren Sie auch von Beginn an von dem Museum begeistert?
Forcher: Mir hat das alles schon sehr gut gefallen, und der Bergbau hat mich natürlich sehr interessiert. Aber richtig begeistert hat es mich dann, als die Gotik Teil davon wurde. Hermann hat mich da einmal angerufen und gesagt, dass er einen gotischen Altar mit Abbildungen von Knappen für die Kapelle in Leogang hat. Da musste ich natürlich hin und es auch in meiner Sendung zeigen.
Die Liebe zur Gotik eint sie beide also. Wo kommt diese bei Ihnen her?
Forcher: Mir hat das Gotische schon in meiner Kindheit gefallen. Wenn man mit den ganzen Werken der großen Künstler aufwächst, dann prägt das einen natürlich. Irgendwann habe ich mir dann gedacht, man kann sich nicht mit allem befassen – und wollte mich deswegen auf die Spätgotik im süddeutschen Raum spezialisieren. Was natürlich ein Blödsinn ist. Spätgotische Werke findet man über ganz Europa verstreut – von Sizilien bis Trondheim. Eigentlich ist es eine Weltkunst.
Sie selbst sind ein begeisterter Sammler. Was ist Ihr Antrieb?
Forcher: Ich habe immer nur zur eigenen Freude gesammelt. Jetzt, wo ich älter werde, freue ich mich schon, wenn ich merke, dass das Sammeln nicht umsonst war. Dass es Menschen gibt, die sich dafür interessieren und die Stücke und ihre Geschichten weitertragen. Auch wenn nicht alle Sammelstücke die einem selbst gefallen, eine Geschichte haben, die es sich lohnt weiterzuerzählen. So ein Stück muss immer etwas Reales sein, das die Menschen begreifen können.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Forcher: Ein Freund hat mir diesen Stein aus dem Tagliamento mit Nägeln von einer Festungsruine in Kärnten geschenkt. Ein Schmied hat sie zu einem Jesuskreuz geformt. Man sieht dem Stein die Gefährlichkeit des Flusses an, der im Ersten Weltkrieg eine zentrale Rolle gespielt hat und immer wieder für verheerende Überschwemmungen sorgt. Hinzu kommt, dass ein Schmied diese alten Nägel – aus dem Gebälk oder von der Zugbrücke dieser verfallenen Festung – genommen hat und etwas Neues daraus geschaffen hat. Das ist eine Geschichte, die die Menschen verstehen und nachvollziehen können.
Weniger leicht nachvollziehbar ist die Verbindung von Bergbau und Gotik in einem Museum – zumindest für Menschen die sich mit diesen Themen nicht so gut auskennen. Wie passen die beiden Materien zueinander?
Forcher: Kulturelle Hochphasen gehen oft Hand in Hand mit einem gewissen Wohlstand. In Salzburg resultierte dieser finanzielle Wohlstand lange Zeit aus dem Abbau verschiedenster Materialien: Gold, Salz etc. Ein Freund von mir hat einmal gesagt, Salzburg ist reich an armen Erzen. Darum hat man überall im Land in die Berge gebohrt und geschaut, was es da zu finden gibt. In Leogang war der Bergbau besonders ertragreich und deswegen entstanden in der gotischen Epoche auch viele Kunstwerke in der Region.
Wie schätzen Sie die Bedeutung des Bergbau- und Gotikmuseums für Leogang ein?
Forcher: Ich denke, das Museum ist nicht nur für die Region wichtig, es ist beispielgebend für ganz Österreich. Man darf das Ganze natürlich nicht in einem massentouristischen Kontext sehen, sondern muss verstehen, dass es sich dabei um ein Kulturzeugnis handelt. Außerdem ist es Hermann gelungen, auch die Einheimischen von der Bedeutung des Museums zu überzeugen – und die sind oft die kritischsten Besucher.
Das Museum ist also ein Anziehungspunkt für die Region. Was macht Leogang sonst noch so einzigartig?
Forcher: Ich mag die alten Gasthäuser mit ihren wunderschönen Gewölbekellern und die Geschichten dazu. Und natürlich die Leoganger Steinberge – die einerseits so riesig und beeindruckend sind und andererseits genau weit genug entfernt, damit sie keine Gefahr ausstrahlen und keine Lawinen ins Dorf schicken. So ist Leogang immer einen Besuch wert.
Sepp Forcher ist langjähriger Moderator der ORF-Sendung „Klingendes Österreich“, in der er heimisches Brauchtum und Volksmusik präsentiert. Außerdem war Forcher viele Jahre als Hüttenwirt tätig und gilt als einer der führenden Experten für österreichische Volkskultur.